Umfang der Feststellung zu vorenthaltenen Beiträgen im Urteil bei § 266a StGB: OLG München hebt Urteil AG Rosenheim auf
Sachverhalt:
Das Amtsgericht Rosenheim hatte in einem Fall, in welchem zwei Angeklagte ausländische Bauarbeiter angeblich als “Scheinselbständige” beschäftigt hatten, einen Angeklagten freigesprochen. Der andere Angeklagte wurde wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB in 9 sachlich zusammentreffenden Fällen zu einer
Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt und im übrigen freigesprochen.
Bei der Ermittlung der vorenthaltenen Beiträge stellte das Amtsgericht tabellarisch gegenüber:
Anzahl der Fälle | Monat/Jahr | Name Arbeitnehmer | Entgelt in € | Nichtabgeführte Beiträge je AN, Arbeitgeberanteil in Euro |
Nichtabgeführte Beiträge je AN, Arbeitnehmeranteil in Euro |
Insgesamt nicht abgeführte Beiträge im jeweiligen Monat in € |
Gegen das Urteil des Amtsgericht Rosenheim wurde von Dr. Herzog Rechtsanwälte Sprungrevision eingelegt.
Das OLG München hat das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Rosenheim zurückverwiesen.
Unzureichende Feststellungen:
Die Feststellungen des Amtsgericht Rosenheim in den Urteilsgründen zu den vorenthaltenen Beiträgen genügen nicht für eine Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt.
Das OLG München führte hierzu als Revisionsgericht aus:
“Die Feststellungen zu den vorenthaltenen Beiträgen sind jedoch lückenhaft und nicht nachvollziehbar. (…) Um eine revisionsgerichtliche Überprüfung zu ermöglichen ist es jedoch in Fällen der Scheinselbständigkeit erforderlich, dass die monatlich den Beschäftigten zugeflossenen Nettoentgelte festgestellt werden. In einem weiteren Schritt sind die hieraus errechneten Bruttoentgelte festzustellen. Diese ergeben sich regelmäßig durch Hochrechnung der Nettobeträge nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV zu einem Bruttoentgelt. Die Berechnungsweise entspricht der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 1 StR 296/12, 1 StR 90/11, 1 StR 651/10, 1 StR 379/13) und ist auch durch das BSG für vorsätzlich begangene Beitragsvorenthaltungen in Fällen der Scheinselbständigkeit bestätigt (BSG B 12 R 18/09 R).
Aus den Bruttoentgelten sind dann die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge festzustellen. Da inzwischen jedenfalls in Fällen, in denen keine Entgelte in der Gleitzone liegen, die Beitragssätze in sämtlichen Versicherungszweigen gesetzlich geregelt sind, bedarf es anders als in dem BGH NStZ-RR 2010, 376 zugrunde liegenden Fall, der einen Tatzeitraum bis 2008 betraf, keiner Ausführungen zu den Beitragssätzen.
Insoweit erweist es sich als sinnvoll, wenn bereits die Ermittlungsbehörde eine klare und nachvollziehbare Darstellung der ermittelten Nettolöhne, ihrer Zuordnung zu den Beschäftigten und Beitragsmonaten und den zugehörigen Beweismitteln vornimmt und neben der Schadensberechnung auch die Darstellung der Bemessungsgrundlage (d.i. die Hochrechnung der Nettoentgelte) der Deutschen Rentenversicherung einholt.
Vorliegend hat das Amtsgericht ausgeführt, die ausbezahlten Beträge hätten bei den Beschäftigten zwischen 1000 € und 1500 € betragen (UA S.5). Mit diesen Auszahlungsbeträgen lassen sich die festgestellten beitragspflichtigen Bruttoentgelte, etwa 5.xxx € beim Beschäftigten A. im Beitragsmonat September 2012, nicht
erklären.
Der im Urteil festgestellte Sachverhalt ist daher widersprüchlich, was einen sachlich rechtlichen Mangel begründet (Meyer-Goßner StPO 58. Aufl. § 337 Rdn.28) und zur Aufhebung und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung führt.”
Zitat:
OLG München, Beschluß vom 16.06.2015, Az. 4 OLG 15 Ss 220/15
AG Rosenheim: 6 Cs 280 Js 20283/13
Aktuelle Beiträge
Wie verhalte ich mich richtig nach einem Verkehrsunfall?
Ein Verkehrsunfall ist immer eine Stresssituation. Entsprechend schwer fällt es Unfallbeteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren und besonnen zu handeln. Da...
Immer Vorsicht nach Konsum von Cannabis: THC sogar noch Wochen nachweisbar
Die in § 44 des am 01.01.2024 in Kraft getretenen KCanG (Konsumenten-Cannabisgesetz) eingesetzte unabhängige Expertengruppe hat ihr Ergebnis zu einer...